Waldbaden: Abtauchen ins "grüne Meer"

Endlich Urlaub! Nach dem Stress der letzten Wochen habe ich nur noch einen Wunsch: Ab an die Nordsee, ins Cuxland. Einfach mit einem Cappuccino entspannt im Café sitzen, die Sonne genießen und ins Wattenmeer hineinträumen ­– eine frische Meeresbrise um die Nase.

Vor Ort blättere ich im Cuxland-Magazin und werde aufs „Waldbaden“ aufmerksam – eine Naturheilmethode für gestresste Stadtmenschen wie mich. Klingt gut! Zum Glück hat das Cuxland mit seiner abwechslungsreichen Landschaft, Flora und Fauna noch viel mehr zu bieten als nur das „platte Land“:

Die Wingst z.B. ist geprägt von Wäldern. In Cuxhaven Sahlenburg liegt der Wernerwald direkt am Meer und in Hagen im Bremischen laden sogar geführte Wanderungen zum „Bad im Wald“ ein. Neugierig geworden, buche ich kurzentschlossen den „Waldspaziergang mit allen Sinnen“ bei Susanne Puvogel.

Gespannt stehe ich am Treffpunkt. Die gebürtige Cuxhavenerin ist Glücks- und Erfolgstrainerin. Mit Waldbaden, Seminaren, Coaching und Vorträgen unterstützt sie Interessierte dabei, ein gesundes, selbstbestimmtes Leben zu führen.

„Ich war schon als Kind gern und viel im Wald “, erzählt Susanne Puvogel. „Und auch damals als Bürgermeisterin von Hagen im Bremischen wurde mir Erholung im Wald immer wichtiger.“

Sie beschäftigte sich intensiv mit dem „Waldbaden“ und entwickelte ihr Wissen für den Erwerb von Zertifikaten weiter, z.B. als Kursleiterin und „Waldwohl-Trainerin“.

Zu Beginn unser dreistündigen Wanderung lässt sie uns tief ins Thema eintauchen: Waldbaden kommt aus Japan, hat aber seine Wurzeln interessanterweise in Deutschland. Schon die natur- und heilkundige Benediktinerin Hildegard von Bingen (1098 – 1179) sprach von der gesunden „grünen Kraft“ des Waldes.

Priester und Naturheilkundler Sebastian Kneipp (1821 – 1897) beschäftigte sich ebenfalls mit der „grünen Apotheke“. Und auch Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832) zog es immer wieder zur Entspannung in den Wald. Erst in der asiatischen Medizin konnte sich „Shinrin Yoku“, das „Eintauchen in die

Waldatmosphäre“ durchsetzen. Es ist in Japan schulmedizinisch anerkannt und wird zur Gesundheitsvorsorge sogar auf Rezept verschrieben. Körper und Seele gelten hier als Einheit. 

Warum ist Waldbaden so gesund? Hier wirkt das „heilsame Trio des Waldes“:

Anionen, Terpene und Mykobakterien aus Baumrinde und Waldboden. Beim Einatmen reinigen sie u.a. unsere Atemwege, sorgen für Glücksgefühle, stärken das Immunsystem, die Darmgesundheit und vieles mehr. In Bewegung, durch Achtsamkeit und Meditation, können Körper und Geist im Wald herrlich entspannen.

Nach einer kurzen Vorstellungsrunde heißt es: „Augen auf und Füße hoch. Alle Sinne auf Empfang!“ Dann geht es immer tiefer in den Wald hinein. Wir gehen zunächst bewusst langsam und schweigen, um uns ganz der besonderen Atmosphäre hinzugeben.

Ich genieße das satte Grün um mich herum, lausche den Geräuschen und atme tief ein und aus. Die sauerstoffreiche Luft soll sich auch positiv auf unseren Kortisol-Spiegel auswirken, der bei Stress ansteigt.

Von Zeit zu Zeit legen wir einen Stopp ein. Ganz entschleunigt kommt beim Waldbaden auch der Spaß nicht zu kurz. Wir schauen uns die Welt durch ein kleines Loch im Blatt an – und gewinnen neue Perspektiven. Durch die Berührung des Blattes haben wir Kontakt zu den gesundheitsfördernden Mikroben.

Mit jeder Achtsamkeitsübung lasse ich den Stress mehr und mehr los: Ich sitze mit geschlossenen Augen auf meiner Decke, spüre den weichen Waldboden und konzentriere mich ­ganz aufs Hören und Riechen. Angeleitet von Susanne Puvogel fühle ich auch tief in meinen Körper hinein.

Dann tauschen wir uns darüber aus: Interessant, jeder hat andere Geräusche und Düfte stärker wahrgenommen.

Die Waldbaden-Kursleiterin gibt uns auch praktische Tipps für den Alltag, z.B. das Palmieren, eine Entspannungsübung für die Augen. Wir reiben alle ganz intensiv unsere Handinnenflächen aneinander und legen anschließend beide Hände leicht gewölbt über unsere Augäpfel. 

Das werde ich bestimmt mal im Büro und in meinem Alltag anwenden – denke ich erfreut.

Beim Waldbaden darf ein kleines Picknick natürlich nicht fehlen. Alle setzen sich gemütlich an einen Baum, packen ihre Getränke und ein paar Leckereien aus. Noch ein kurzes „Innehalten“ mit geschlossenen Augen, dann erfrischt Susanne Puvogel unsere Fantasie mit einem schönen Gedicht.

Ganz besonders in Erinnerung geblieben ist mir dabei folgende Zeile:

„Es liegt im Wald ein tiefer Zauber, der stärkt das Herz, wenn es Dir schwer...“

Auf einer baumfreien Fläche gestalten wir mit den „Schätzen des Waldes“ ein großes Mandala – gemeinsam, ganz ohne Worte. Das hat etwas Meditatives, Beruhigendes. Danach sitzen alle entspannt auf dicken Baumstämmen und philosophieren: „Will ich so leben, wie ich aktuell lebe? Was ist mir wichtig?“

„Waldbaden fördert, achtsam mit uns und mit der Natur umzugehen.“

Susanne Puvogel, Glücks- und Erfolgstrainerin

Auf unserem Weg durch den Wald berühren wir hier und da auch das kuschelige, saftig grüne Moos. Aus ein paar Ästen baut sich jeder einen „persönlichen Rahmen“. Hier meditieren wir hinein, ganz konzentriert auf unseren Atem – die wichtigste Verbindung zu uns selbst.

Fünf Minuten können ganz schön lang sein, denke ich noch. Dann bin ich ganz in meiner Meditation versunken – bis mich eine Klangschale sanft in die Realität zurückholt...

Zum Schluss zeigt uns Susanne Puvogel noch ihren Lieblingsbaum, eine urwüchsige, alte Esche. „Die Nähe zu Bäumen gibt uns Kraft“.

Ich probiere es aus und spüre es auch. Geerdet, und ganz bei mir angekommen, verlasse ich den „kraftgebenden Ort“. Bei meinem nächsten Spaziergang werde ich den Wald neu – und mit allen Sinnen – erleben. Und wie schön, im Nordsee-Urlaub zur Abwechslung mal ins „grüne Meer“ abzutauchen.

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